Ein Blogartikel zum Thema Beruf und Revierkämpfe

So lösen Sie Revierkämpfe in Meetings

“Es geht mir so auf die Nerven, wenn sich die drei Männer in meinem Team derart produzieren. Sie labern und labern und ich werde mit meinen Statements immer kürzer, weil ich das Meeting nicht auch noch unnötig in die Länge ziehen will“, ärgert sich eine superkompetente Analystin. Welche Kommunikationsstrategie wendet sie an – und ist das klug?

Durch die Männerbrille
Die Teammänner haben sich offenbar auf ein informelles Statusspiel geeinigt, das da lautet: Die Dauer meiner Redezeit spiegelt meinen Status und meine Wichtigkeit wider und sie nutzen Meetings, um sich zu produzieren, zu monologisieren, sich darzustellen, ihren Status aufzuladen. Vermutlich interpretieren sie die kurzen Wortmeldungen ihrer Kollegin nicht als noble Zurückhaltung oder effizienten Kommunikationsstil, sondern – ja Sie ahnen es – als Statusverlust:

„Die hat einfach nix zu sagen, ist inkompetent!“

Status durch Territorium markieren
Wie sieht nun eine passendes Kommunikationsverhalten in diesem Team aus? Schlicht und einfach: Ergreifen Sie das Wort, und zwar in genau derselben Dauer, wie die anderen. Hier geht es ums Verteidigen des Territoriums, um ernst genommen zu werden. Nehmen Sie Zeit und Raum ein, selbst wenn Ihnen dieses Statusspiel peinlich vorkommt.

Welchen Platz nehme ich mir?
Weitere Machtgesten sind, auch physisch Platz einzunehmen. Beobachten Sie in Meetings, wer zwei Plätze für sich beansprucht und sein Status-Handy (ab September dann das iPhone 12), sein Notebook, sein Designer-Brillen-Etui auf der Tischfläche verstreut und meist die Nachbarin in die Flucht schlägt. Oder werfen Sie einmal einen Blick unter den Tisch – wer sitzt breitbeinig da und wer schlägt platzsparend ein Bein über das andere, vielleicht auch noch damenhaft schräg? Sollte jemand Ihren Platz auf der Tischfläche beanspruchen, machen Sie ihn aufmerksam:

„Schau, ich schieb dir das wieder auf deinen Platz, damit du deine Sachen schön beisammenhast.“

Rede-Zeit beanspruchen
Wenn Sie zu in ein Besprechungszimmer kommen, nehmen Sie sich Zeit, huschen Sie nicht hinein, sondern betreten Sie selbstbewusst den Raum, das Meeting beginnt lange bevor der Eröffnung. Denn dieser erste Eindruck bleibt über das gesamte Meeting erhalten. Je nach Situation, begrüßen Sie jeden einzelnen oder richten Sie Ihr Wort im Smalltalk an jemand, der schon vor Ihnen da war. Und wählen Sie Ihren Platz so aus, dass Sie von allen gut gesehen werden.

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Unlängst war ich als Beraterin in einem Meeting mit fünf internen Entscheidungsträger*innen und drei externen Berater*innen. Obwohl eine junge, weibliche Führungskraft überpünktlich eingetroffen ist, hat sie ihre Chance nicht genutzt. Sie hätte auf mich als Externe zukommen können, mich in ihrer Rolle als Mitgastgeberin begrüßen können – wir waren ja an Ihrem Standort. Sie hätte sich vorstellen können, einen Smalltalk beginnen, gezielt Sympathien bei mir wecken können. Sie blieb während des gesamten Meetings zurückhaltend. Schade. Sie hätte aktiv ihre Position beziehen können. Denn die wenigen Male, die sie sich zu Wort gemeldet hatte, waren kluge und bereichernde Redebeiträge.

Maskuline oder feminine Verhaltensweisen
Es geht nicht um typisch Frau oder typisch Mann. Es geht um maskuline Verhaltensweisen, die deutlich häufiger bei Männern zu finden sind. Dies maskulinen Eigenschaften treten aber auch bei vielen Frauen zutage. So wie auch umgekehrt. Der Kulturwissenschaftler Gert Hofstede unterscheidet in seinen kulturvergleichenden Forschungen sogenannte „Kulturdimensionen“, die Nationalstaaten zugeordnet werden, aber auch Organisationskulturen. In einer Kultur mit hoher Maskulinität treten Menschen eher bestimmt auf und verhalten sich konkurrenzbetont. Es gilt, in jeder Situation Stärke zu demonstrieren. Um ein Bild vor Augen zu haben, Russland. Oder wenn wir in Europa bleiben wollen, Deutschland. Hingegen sind feminine Werte wie Kooperation und Bescheidenheit oder Fürsorge in den skandinavischen Ländern gelebte Praxis – und zwar bei Männern ebenso wie bei Frauen.

Achten Sie auf informelle Spielregeln
Wenn wir Fußball-Matches beobachten, sehen wir das Reglement ergänzt durch viele informelle Regeln. Meiner Beobachtung nach ist eine: Ein Foul ist erlaubt, solange der Schiedsrichter es nicht sieht. Eine weitere: Eine Schwalbe kann schon mal hilfreich sein, aber lass dich nicht erwischen. In diesem körperbetonten Sport gelten eben andere Regeln als beispielsweise beim Volleyball. Bei diesem Teamspiel macht Ihnen niemand Ihren Platz streitig. Kaum Berührungen. Man wechselt alle sechs Positionen im Uhrzeigersinn. Der zweite Spielzug wird dem Aufspielenden zugespielt – alles Regeln, die innerhalb des Teams zur Kooperation und Egalität beitragen … Überlegen Sie, welche informellen Regeln in dem Team gelten, dem Sie zugehören.

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Als Führungskraft gestalten Sie Teamregeln
Können Sie die Teamregeln verändern, wenn sie diese doof finden? Das ist abhängig von Ihrer Rolle und Ihrem Status. Sind Sie die Führungskraft, ist es sogar Ihre Aufgabe die Teamregeln zu formen. Sie können auf gleich lange Redebeiträge achten. Achtung: Aus der Gender-Bias-Forschung wissen wir, dass Redebeiträge von Frauen länger wahrgenommen werden, selbst wenn sie kürzer sind. Sie können die Stillen bewusst nach Ihrer Perspektive fragen:

„Wir haben nun gehört, was A, B, C darüber denken. Frau/Herr D, für ein umfassendes Bild – was denken denn Sie dazu?"

Oder Sie bieten etwas mehr Zeit an: „Frau/Herr D, es ist mir wichtig alle Seiten zu hören, Sie können auch später Ihre Sicht einbringen.“ Wenn Sie das ein paar Mal machen, wissen die Zurückhaltenden, dass sie um ihre Perspektive gefragt werden und legen ihre mögliche Verlegenheit mit der Zeit auch ab.

Kommunikationsregeln gestalten aus dem Niedrigstatus?

Sind Sie in der Rolle wie die eingangs zitierte Analystin, also das Teammitglied mit dem geringsten Status in der Gruppe, weil Sie neu ins Team dazugekommen sind und über einen fachlichen Hintergrund verfügen, der zwar eine große Bereicherung für das Team wäre, aber von den anderen so nicht wahrgenommen wird, etc. dann ist es besser, Sie arrangieren sich mit den maskulinen Spielregeln bis zu einem gewissen Grad. Zumindest bis zu einem Zeitpunkt, an dem Ihr Status gestiegen ist – und arbeiten vorerst daran, Ihren Status zu heben. Sie bleiben durchaus authentisch, wenn Sie das Wort ergreifen, länger sprechen, physisch Platz einnehmen, nicht assistieren und Kaffee holen oder Protokolle schreiben, sich informelle Informationen organisieren, etc...

Wie Sie sprachlich auf Augenhöhe sprechen und nicht in einen Niedrigstatus verfallen, darüber schreibe ich ein anderes Mal wenn es um Meinungsbildungsprozesse geht und den Unterschied zwischen Berichtssprache und Beziehungssprache. Für diesmal: Erkennen Sie die Spielregeln, nehmen Sie sich Raum und haben Sie Spaß dabei mitzuspielen, statt am Rande bloß zuzuschauen.

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Gabriele Strodl-Sollak

Ich bin seit 20 Jahren Kommunikationsberaterin und Trainerin. Im Business-Coaching geht es um die Themen Kommunikation, Positionierung, Führung und Karriereentwicklung. Online sowie in der Wiener Agentur.

Ich war Führungskraft in den USA sowie Russland, Pressesprecherin sowie PR-Beraterin in einer Top-Agentur und bin Universitätslektorin. Mit meinem Unternehmen Sollak Kommunikationsarchitekten erhielt ich 2016 die Auszeichnung BEST PRactice Award.

Ich bin verheiratet, wir haben zwei jugendliche Töchter und von Zeit zu Zeit Besuch von einem Gast-Hund, der das Familienleben aufwirbelt. Damit kenne ich die Herausforderungen, die für Frauen tagtäglich zu managen sind. Zum Ausgleich mag ich Mountainbiken, Skitourengehen und genieße häufig gemeinsam mit meinem Mann klassische Konzerte.

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